Nachruf auf Prof. Dr. Dr. h.c. Hermann Kurzke (15.02.1943 – 17.02.2024)

Die Katholisch-Theologische Fakultät trauert um den Germanisten Hermann Kurzke, der ihr durch eine Ehrenpromotion verbunden war.

Hermann Kurzke wurde 1943 in Berlin geboren, studierte Germanistik und Katholische Theologie zuerst in München, dann in Würzburg. Dort erfolgte 1972 seine Promotion zum Dr. phil. mit einer Untersuchung zu Thomas Mann, 1982 habilitierte er mit einer Arbeit über die politische Dimension bei Novalis in Mainz, wo er 1988 zum Professor für Neuere deutsche Literaturgeschichte ernannt wurde. Durch zahlreiche Publikationen und Vorträge, Zeitungsbeiträge und Rundfunksendungen ist Hermann Kurzke weit über die Grenzen seines Fachs und der universitären Lehre hinaus einer kulturell interessierten Öffentlichkeit bekannt geworden. Seine 1999 bei Beck erschienene Thomas-Mann-Biographie hat mit über 50.000 Exemplaren eine für wissenschaftliche Literatur ungewöhnlich weite Verbreitung gefunden und wurde in sechs Sprachen übersetzt. Aus dem Bereich der Print-Medien ist seine langjährige Mitarbeit an der „Frankfurter Anthologie“ der FAZ hervorzuheben, in der er häufig geistliche Lieder und Gedichte einbrachte und kommentierte. Überhaupt zieht sich das Religiöse wie ein roter Faden durch die meisten seiner Veröffentlichungen und Vorträge. Es war stets seine Absicht – und das machte ihn als Germanisten auch für die Theologie so schätzenswert –, mit einer weitgehend entchristlichten Gesellschaft über den Sinn von Religion, oder wie Kurzke im Anschluss an Novalis formulierte, über den „Nutzen der Religion“ ins Gespräch zu kommen. Religion war für ihn nie eine Sache, die nur im Intellekt oder im Sentiment stattfindet, sondern etwas, was getan werden muss, das nach Ausdruck und Gestalt verlangt und das darum auch grundlegend eine kulturelle und ästhetische Dimension hat. Diese Einladung zum Dialog mit den „Gebildeten unter den Verächtern der Religion“ (Schleiermacher) charakterisiert weite Teile seiner Publikationen zu Novalis, Thomas Mann, Georg Büchner und sein in mehreren Auflagen erschienenes „Unglaubensgespräch“ (Beck 2005).

Fast folgerichtig führte ihn sein Weg auch zur Hymnologie. Das maßgeblich unter seiner Leitung entstandene „Geistliche Wunderhorn“ (Beck 32009) hat das erklärte Ziel, Kirchenlieder einer interessierten Öffentlichkeit als Kulturgut attraktiv zu machen und sie über den religiösen Diskurs hinaus an die kulturellen Debatten der Gegenwart anzuschließen. 1992 begründete er zusammen mit dem Liturgiewissenschaftler Hansjakob Becker (1938-2021) das „Mainzer Gesangbucharchiv“ und damit verbunden den Interdisziplinären Arbeitskreis „Gesangbuchforschung“, an dem neben den beiden Theologien und der Germanistik auch die Buch- und Musikwissenschaft beteiligt waren. Aus dem IAK ging das DFG-Graduiertenkolleg „Geistliches Lied und Kirchenlied interdisziplinär“ (1996-2006) hervor, das während seiner Laufzeit über 40 Dissertationen und Tagungsbände herausbrachte, von denen ein Großteil in der von Kurzke begründeten Reihe „Mainzer Hymnologische Studien“ publiziert wurden. Durch diese und eine Vielzahl weiterer Projekte ist heute der Standort Mainz ein international bekanntes Zentrum für hymnologische Forschung.

Aufgrund der Überzeugung, dass Religion nach Ausdruck und Gestalt verlange, engagierte sich Kurzke auch im praktischen Bereich. Die Arbeit am Stammteil des katholischen Gebet- und Gesangbuchs „Gotteslob“ (2013) unterstützte er durch umfangreiche Gutachten zu den Fassungen der Lieder; bei der Entstehung des Mainzer Eigenteils des „Gotteslob“ war er Mitglied der Arbeitsgruppe, die die Lieder auswählte und hymnologisch verantwortete. Darüber hinaus war er Mitglied im Vorstand des Mainzer Dombauvereins sowie Gründungsmitglied des Vereins „Kultur – Liturgie – Spiritualität. Interdisziplinäre und ökumenische Vereinigung zur Erforschung und Förderung des christlichen Gottesdienstes“.

Die, die das Glück hatten, mit Hermann Kurzke zusammenarbeiten zu können, haben ihn als eine kluge und originelle Forscherpersönlichkeit kennengelernt, die die Gabe hatte, durch ihre Begeisterung für die Dinge auch andere zu inspirieren. Trotz seines hohen Arbeitspensums war er ein geselliger und humorvoller Mensch, dem der persönliche Kontakt zu den Stipendiaten/-innen und Kollegen/-innen wichtig war.

Die Katholisch-Theologische Fakultät bewahrt Hermann Kurzke ein ehrendes Andenken.

Univ.-Prof. Dr. Heike Grieser, Dekanin der Katholisch-Theologischen Fakultät und des Fachbereichs 01
Univ.-Prof. Dr. Ansgar Franz, Liturgiewissenschaft und Homiletik, Katholisch-Theologische Fakultät

Die Urnenbeisetzung findet am Freitag, 08.03.2024, um 11 Uhr auf dem Hauptfriedhof in Mainz statt.