Liturgiewissenschaft und Homiletik

Die Liturgiewissenschaft befasst sich mit dem christlichen Glauben, wie er im Gottesdienst der Kirche Gestalt annimmt. Ihre Quellen sind daher so vielfältig wie der Gottesdienst selbst: Neben Texten kommen unterschiedliche sinnliche Ausdrucksformen in den Blick, so z.B. Symbole und Riten, Gesänge und Lieder, Bilder und Skulpturen, Textilien und Gerüche, die Architektur von Kirchenräumen und deren Ausstattung. Im Zentrum des Interesses stehen neben der römisch-katholischen Liturgie auch die Traditionen anderer Kirchen und Konfessionen sowie des Judentums. Im Zuge der Liturgischen Bewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erhielt die Liturgiewissenschaft ihre klassische methodische Ausrichtung, die durch das Zusammenspiel dreier Perspektiven gekennzeichnet ist: Die Liturgiegeschichtsforschung rekonstruiert und kommentiert die gottesdienstlichen Feiergestalten von den Anfängen bis in die Gegenwart; dabei wird Liturgiegeschichte zugleich als Spiegel der Kultur- und Frömmigkeitsgeschichte betrachtet. Die Bedeutung der liturgischen Vollzüge wird durch die Liturgietheologie erschlossen. Schließlich begleitet die Liturgiepastoral kritisch den konkret gefeierten Gottesdienst anhand der Kriterien, die aus liturgiehistorischer und -theologischer Reflexion gewonnen werden. - Indem die Studierenden in der Lehre mit diesen drei Zugangsweisen vertraut gemacht werden, sollen sie zum kompetenten Umgang mit der Liturgie in ihren jeweiligen Berufsfeldern sowie ihrem persönlichen Glaubensvollzug befähigt werden.

Im Mittelpunkt der Forschungsaktivitäten stehen in Mainz derzeit die Hymnologie („Kirchenliedforschung”, bezogen auf lateinische Hymnen ebenso wie deutschsprachige Kirchenlieder), der in Mainz durch das Gesangbucharchiv ein international renommiertes Forschungsinstrument zur Verfügung steht, sowie die Begräbnisliturgie und die liturgische Rezeption der Heiligen Schrift.

Eine Besonderheit der Mainzer Fakultät ist die Verbindung der Liturgiewissenschaft mit der Homiletik (Predigtlehre), die andernorts regelmäßig bei der Pastoraltheologie angesiedelt ist. Nachdem das Zweite Vatikanische Konzil die Predigt als integralen Bestandteil der Liturgie wiederentdeckt hat, erscheint die Verknüpfung mit der Liturgiewissenschaft sinnvoll. Die Homiletischen Übungen im Lehrangebot der Mainzer Professur verstehen sich als Einführung in das Genre der öffentlichen religiösen Rede. Anhand biblischer Texte wird das kreative und verantwortete Sprechen von Gott eingeübt und praktiziert.